Am 18. Dezember 2018 unterzeichneten das Synchrotron Light Research Institute (SLRI, Thailand), die Jagiellonen-Universität in Krakau(Polen) und die Hochschule Niederrhein (HN) einen Kooperationsvertrag für den Aufbau einer Strahlführung (Beamline) für Röntgenabsorptionsspektroskopie am Krakauer Synchrotron SOLARIS. Im Rahmen dieser internationalen Kooperation wird gemeinsam mit der Universität Bonn Hard- und Software für die Beamline entwickelt und die Vernetzung der Projektpartner sowie der polnischen Akademie der Wissenschaften vorangetrieben.
Synchrotronstrahlung wird von Elektronen abgestrahlt, die mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in einem Speicherring zirkulieren. Die HN erhält durch das SOLARIS-Projekt einen exklusiven, regelmäßigen und langfristig gesicherten Zugang zu der hochmodernen Instrumentierung und Infrastruktur an dieser Großforschungsanlage, und ab 2020 werden dem HN-Oberflächenzentrum HIT sowie weiteren Wissenschaftlern der Hochschule und externen Partnern dort Röntgen-basierte spektroskopische Verfahren als ergänzende Spitzenanalytik für angewandte Forschung, mit Schwerpunkt auf materialwissenschaftlichen Untersuchungen, zur Verfügung stehen. Aufgrund der guten Erreichbarkeit werden auch fortgeschrittene Studierende oder Doktoranden von den neuen Forschungsmöglichkeiten profitieren. Die ersten Projekte von Professorinnen und Professoren aus den Bereichen Textilwesen, Oberflächenchemie und Gesundheitsforschung sind bereits in Vorbereitung.
Röntgenabsorptionsspektroskopie (engl. X-ray absorption spectroscopy, XAS) liefert Detailinformationen über die atomare Umgebung ausgewählter chemischer Elemente in Probenmaterialien, wobei Im Unterschied zu anderen Charakterisierungsmethoden auch Untersuchungen an nichtkristallinen Systemen wie amorphen Feststoffen, Flüssigkeiten und Gasen auf atomarer Ebene möglich sind. Weil die dabei verwendete Röntgenstrahlung Beschichtungen durchdringen und geschlossene Probenzellen durchleuchten kann, können Funktionsmaterialien ´In Situ´ unter Bedingungen untersucht werden, die während der Herstellung, Applikation und Anwendung herrschen. So kann die atomare Struktur mit anwendungsspezifischen Eigenschaften korreliert und für eine gezielte, wissensbasierte Weiterentwicklung neuer Materialien genutzt werden.
Eine Besonderheit der HN-Messlinie an SOLARIS ist die fensterlose Ankopplung an das Ultrahochvakuum des Speicherrings, die anspruchsvolle Messungen bei niedrigen Energien ermöglicht. Der Messplatz wird speziell für angewandte Forschung konzipiert, um Fragestellungen aus der Praxis aufzugreifen und die Synchrotronmethoden als komplementäre Spitzenanalytik des Oberflächenzentrums HIT zu nutzen. Beim weiteren Ausbau der Experimentierstation bringt die HN neben ihren Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Industriepartnern ihre am HIT gebündelte Expertise in den Bereichen Experimentesteuerung, Automatisierung und intelligente Datenanalyse ein. In Verbindung mit der Hochdurchsatz-Anlage am HIT bestehen ideale Voraussetzungen sowohl für die gezielte Formulierung, Synthese und Applikation von Probenmaterialien als auch für die die Erfassung und Verarbeitung hochqualitativer, reproduzierbarer Messdaten und einen Wissenstransfer, der die Ergebnisse grundlegender Forschungsarbeiten in die Anwendung überführt. Thematisch liegt ein starker Fokus auf der nachhaltigen und effizienten Entwicklung ressourcenschonender neuer Materialien bzw. Werkstoffe.
Die Installation der ersten Komponentengruppe der Beamline wird während der SOLARIS-´Winter-Shutdowns´ im Dezember 2019 installiert, da sie einen direkten Zugang zum Speicherring erfordert der nur während dieser Betriebspause des Synchrotrons möglich ist. Die restlichen ´Frontend´-Komponenten werden dann während des folgenden Shutdowns im April 2020 montiert. Unmittelbar anschließend wird die Installation der Strahlrohroptik und Detektoren erfolgen. Die Inbetriebnahme der Beamline ist für Sommer 2020 geplant.