Mein Auslandssemester
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Jerusalem Skyline

Frederike - FB 07 - Jerusalem/Israel

Frederike ist beeindruckt von den kleinen Kursgrößen und von dem vertrauensvollen, offenen Umgang der Dozenten mit ihren Studierenden.

Im Rahmen meines Studiums Design-Ingenieur Textil am FB07 der HS Niederrhein ist ein Auslandsstudium oder Praxissemester vorgesehen. Nachdem ich die zahlreichen Partneruniversitäten der Hochschule durchsah, fiel meine Wahl auf die Bezalel Academy of Arts and Design Jerusalem in Israel. Zum einen, weil ich gerne an einer Kunstakademie studieren wollte, zum anderen, weil ich in einem völlig anderen Kulturkreis leben wollte - und wo geht das besser als der einzigartigen Metropole Jerusalem?

Da die Kooperation zwischen dem Fachbereich Design und der Bezalel besteht, musste ich mich fachfremd bewerben. Die Bewerbung war etwas umfassender als die einer Erasmuspartnerschaft. Ein Studenten-Visum muss beantragt werden, eine Auslandskrankenversicherung wird über die Bezalel abgeschlossen, Voranmeldungen zu verschiedenen Kursen sind möglich und eine Unterkunft muss gefunden werden. Die Wohnungssituation in Tel Aviv (für Masterstudierende der Bezalel) und Jerusalem (Bachelorstudierende der Bezalel) ist äußerst schwer und im Vergleich zu Mönchengladbach sehr teuer. Am besten sucht man ein WG- Zimmer über Facebookgruppen oder den Email-Verteiler der Bezalel. Im Durchschnitt kostet ein WG-Zimmer mindestens 600 Euro/Monat, ein Zimmer im Studentenwohnheim liegt bei circa 700 Euro/Monat. Ich habe eine Wohnung in bester Lage direkt am Mahane Yehuda Market über Facebook gefunden, mit drei sehr lieben israelischen Mitbewohnern. Ich hatte großes Glück mit meinen Mitbewohnern, da sie mir das „echte“ Jerusalem zeigten und ich so viel in Kontakt mit Israelis und nicht nur Austauschstudenten war.

Ich entschied mich, schon etwa einen Monat vor Semesterbeginn nach Israel zu fliegen, um im Spätsommer das Land zu erkunden und mich in Ruhe einzuleben. Der Alltag in Israel ist allein durch den Wochenrythmus ganz anders: gearbeitet wird von Sonntag bis Freitagmittag. Nach Sonnenuntergang am Freitag beginnt der Shabbat, eingeläutet durch das Shabbathorn. Von da an hat bis Samstagabend alles geschlossen. Die sonst so pulsierende und belebte Stadt ist plötzlich wie ausgestorben.

Das Semester begann für mich Mitte Oktober mit einem Hebräischintensivkurs. In Israel spricht ein Großteil der Bevölkerung fließend Englisch, jedoch war es für mich wichtig, zumindest ein bisschen Hebräisch zu lernen. Zudem sind die Kurse an der Bezalel zum Großteil auf Hebräisch. Bei Interesse kann dieser Hebräischkurs während dem Semester fortgeführt werden. Man kann aber auch einfach mit Duolingo oder einem Sprachtandem die Sprache lernen.

Die Bezalel ist die renommierteste Kunstakademie Israels und des Nahen Ostens. Gelegen auf dem Mount Scopus, angegliedert an die Hebrew University, hat man einen Blick über Jerusalem, die West Bank, das Tote Meer und die Berge Jordaniens. Um auf den Campus zu gelangen, muss man seinen Studentenausweis bei sich tragen und eine Sicherheitskontrolle (ähnlich wie am Flughafen) passieren. Am Anfang ist das Sicherheitsbedürfnis etwas befremdlich, da man auch vor Shoppingmalls, der Post oder an den Toren der Altstadt kontrolliert wird und in der Stadt sehr viel Armee, teilweise schwer bewaffnet, zu sehen ist. Die Bezalel hat insgesamt acht Fachbereiche: Fine Arts, Visual Communication, Ceramics, Screen Based Arts, Architecture, Photography, Fashion & Jewelry und Industrial Design.

Von Beginn an war an der Bezalel alles sehr gut organisiert. Die Auslandsverantwortliche Sarit Morad hat das Semester mit einer ausführlichen Informationsveranstaltung begonnen. In den ersten zwei Wochen gibt es an der Bezalel eine sogenannte Drop on & off period. In dieser Zeit hat man die Chance, alle Kurse, die interessant klingen zu besuchen und sich dann im Laufe dieser zwei Wochen für einen endgültigen Stundenplan zu entscheiden. Insgesamt habe ich sechs Kurse belegt. Mein Homedepartment war Photography, zudem habe ich einen Kurs im Visual Communication Department besucht. Sonntags gibt es nur Theorie- und Geschichtskurse, Montags und Dienstags Studiokurse (achtstündige Kurse in denen man besonders intensiv arbeitet = 8 ECTS) und Mittwoch und Donnerstag dreistündige Kurse (4 ECTS). An der Bezalel wird sehr stark aus dem Prozess heraus gearbeitet, d.h. man hat in jedem Fach jede Woche Konsultationen. Es wird erwartet, dass man neben den Kursen entsprechend viel Zeit in eigener Verantwortung aufbringt und an seinen Projekten arbeitet. In einem Warehouse kann man sich Equipment leihen: analoge und digitale Kameras, Stative, Beamer etc. Die Arbeiten der Studenten werden zudem sehr wertgeschätzt, es gibt jede Woche wechselnde Ausstellungen innerhalb der Akademie.

Das Photography Department ist in der künstlerischen Arbeit sehr frei: neben Fotografie wird viel installativ, screen based oder videografisch gearbeitet. Meine Kurse waren zum Großteil auf Hebräisch, aber das sollte einen nicht abschrecken. Es gibt immer hilfsbereite Studenten, die die Inhalte übersetzen. Außerdem versteht man nach vier Monaten relativ viel. Die Professoren an der Bezalel sind meistens Künstler und haben daher einen ganz anderen Ansatz zu lehren. Meine Kurswahl hört sich zunächst ein bisschen wie ein Semester in Hogwarts an: „Back to the future“, „A young person in a foreign city“, „Site Specific“ oder „Learning to see“.

Jeder Kurs war auf seine Art spannend und durch die intensive Projektarbeit hat man sehr viel über sich selbst als Person und Künstler gelernt. Sowohl Lehrende, Studierende, als auch Betreuer am Fachbereich waren alle unfassbar freundlich, bemüht und offenherzig. In meinem Department waren nur vier Exchange Students und wir wurden alle mit offenen Armen empfangen und wirklich wunderbar integriert. Die Beziehungen zwischen Lehrenden und Studenten sind viel offener und auf einer anderen Vertrauensbasis als in Deutschland. Die individuelle Förderung ist ganz anders, da die Kursgröße nie mehr als zwölf Studenten überschreitet.

Neben der Kunstakademie ist natürlich das alltägliche Leben in Israel sehr spannend. Wer Jerusalem als Stadt wählt, wird auf jeden Fall in eine andere Welt eintauchen. Die Geschichte und Religionen, die hier aufeinander treffen und auch die derzeitige politische Lage, sind atemberaubend. Man lernt auch, die Medien und Berichterstattungen zu hinterfragen. Nicht alles ist so, wie es medial dargestellt wird.

Jerusalem ist sehr intensiv und es gibt so viel zu sehen und erleben, dass ich nach fünf Monaten gefühlt nur einen Bruchteil gesehen habe. Auch zum Reisen ist Israel ein sehr vielseitiges Land und hat trotz der kleinen Größe sehr viel zu bieten. Das tote Meer, die verschiedenen Wüsten im Süden, das rote Meer, das Mittelmeer, Tel Aviv als Metropole oder der grüne Norden laden zu Ausflügen und Touren ein. Dadurch, dass alles relativ nah beieinander ist, kann man sehr spontan reisen. Die Lebenshaltungskosten in Israel sind im Vergleich zu Deutschland sehr hoch. Gemüse ist auf dem Markt relativ günstig, jedoch sind Milchprodukte, Kosmetika, Alkohol etc teuer.

Die Zeit in Israel war sehr lehrreich, intensiv und spannend. Ich würde jedem empfehlen, ein Auslandssemester an der Bezalel zu absolvieren. Man lernt, jeden Tag zu leben und zu genießen. Es fällt mir sehr schwer, dieses Land und die Akademie zu verlassen und ich bin dankbar, dass ich an diesem Austausch teilnehmen durfte.