Mein Auslandssemester
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Istanbul

Gabriela - FB 06 - Istanbul/Türkei

Gabriela aus dem Fachbereich Sozialwesen hat ein Praktikum in einer Kunstgalerie in Istanbul absolviert.

Da ich es während meines Studiums nicht geschafft habe, meinen Plan ein Auslandssemester in Istanbul zu machen, in die Tat umzusetzen, klingelten gegen Ende meines Studiums die Alarmglocken – „entweder du gehst jetzt ins Ausland oder nie!“ Also habe ich eine Bewerbung nach der anderen nach Istanbul gesendet. Doch meistens kamen die gleichen vorgefertigten Antworten, nämlich „dass sie mir im Moment zwar keine Stelle anbieten könnten, sich aber gerne in Zukunft bei mir melden würden, wenn sich etwas ergeben würde“. Sogar noch häufiger kam gar keine Antwort. Also habe ich meine Reise nach Istanbul im Juni 2015 als Anlass genommen, um mich vor Ort zu bewerben. Und siehe da, nun hatte ich drei Angebote für ein Praktikum. Der persönliche Kontakt im Gegensatz zu einer E-mail, die schnell einmal unter vielen untergeht, darf wohl nicht unterschätzt werden.

 

Ich habe mich für das Praktikum in der Pilot Galeri entschieden, die zeitgenössische Kunst hauptsächlich von türkischen Künstlern ausstellt. Die Arbeiten reichen dabei von den Medien Malerei, Fotografie, bishin zu Video, Objekt und Installation. Nachdem ich mich dort persönlich vorgestellt habe, hat mich die Galeristin für den nächsten Tag zu einem Gespräch mit ihr und ihrer Kollegin eingeladen. Dabei konnten wir uns schon einmal kennenlernen und meine Arbeit als Praktikantin im Groben besprechen.

 

Ende August ging mein Praktikum dort also los. Die Galerie wurde nach der Sommerpause wieder eröffnet, es stand eine spannende Ausstellung über den viel beachteten Künstler Sener Özmen an. Gleichzeitig wurde die große Istanbul Biennale eröffnet und dann nahm die Galerie außerdem noch an der Kunstmesse Art International Istanbul teil. Dies alles in derselben Woche, nämlich in der ersten Septemberwoche - es war also ein sehr spannender Start. Ich lernte viele Leute aus der türkischen Kunstszene kennen, aber auch viele Journalisten, Kuratoren usw. von Außerhalb, da die Biennale ein internationales Publikum anzog. Nach einer Einarbeitungsphase wurde mir mein erster Zuständigkeitsbereich zugewiesen. Ich sollte mich um die deutsch- und englisch-sprachige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kümmern, um diese auf die aktuelle Ausstellung aufmerksam zu machen. Neben der Galeristin und ihrer Kollegin gab es noch eine weitere Angestellte. Sie hat die Galerie aber bald verlassen, sodass ich neue Aufgaben zugewiesen bekommen habe. Dazu gehörten neben kleineren alltäglichen Arbeiten vor allem die Gestaltung von E-Katalogen, die Social-Media Pflege und das Content-Management der Webpage. Da ich mit den dafür benötigten Programmen InDesign und Photoshop noch nicht genügend vertraut war, benötigte ich zunächst Hilfe dabei.

 

Es war eine sehr angenehme Atmosphäre in diesem kleinen Team zu arbeiten. Ich konnte sehr vielseitig Neues lernen, da man in einem so kleinen Team mit fast jedem Aufgabenbereich einer Galerie einmal in Kontakt kommt. Etwas schade ist allerdings, dass ich wegen der Sprache nicht alle Aufgaben übernehmen konnte. Viele sprechen nur sehr wenig Englisch in der Türkei und ich auch nur sehr wenig Türkisch, sodass ich mich oftmals in Situationen wieder gefunden habe, in denen ich mit Händen und Füßen kommuniziert habe. Ich hätte mir gewünscht, dass ich im Vorfeld schon mehr Türkisch-Kenntnisse erworben hätte. Ich war schon etwas überrascht, dass man mit Englisch oftmals nicht weit kommt. Dies war besonders kompliziert, wenn mal wieder ein Behördengang wegen der Aufenthaltsgenehmigung anstand. Die Türkei ist sicherlich keine Ausnahme, macht es einem aber auch nicht einfach, an eine Residence permit zu kommen.

 

Eine Wohnungssuche war glücklicherweise nicht nötig, da die Galerie dies für mich übernommen hat. Als Übergangslösung wurde ich zunächst in einem Hostel untergebracht und kam dann in eine WG, die nur 10 Gehminuten von der Galerie im Viertel Cihangir lag. Von dort aus hatte man es nicht weit zu den unzähligen gemütlichen Cafés, den vielen Antiquitätenläden, die einen halben Hausstand auf der Straße ausgebreitet zu haben scheinen und zum Bosporus, wo man bei einem Cay, dem türkischen Tee, Fischer, Pärchen, Schiffe, Fähren und Touristen beobachten konnte. Auch die beliebte Istiklal Caddesi, eine 1,4 km lange Einkaufsstraße, auf der sich nicht nur tagsüber, sondern meist bis spät in die Nacht Menschenmassen aufhalten, und der wichtige Taksim Platz sind nahe. Alleine diesen Stadtteil, Beyoglu genannt, zu erkunden dauert seine Zeit. Damit hat man aber noch nicht einmal ein Zehntel der Stadt gesehen.

 

Istanbul mit rund 14 Millionen Einwohnern hat einfach unendlich viele Facetten. Je nachdem in welche Gegend man kommt, überrascht einen immer wieder etwas Neues. Es gibt hippe, ruhige, überfüllte, schicke, konservative Gegenden. Viertel, die abgelegen, sehr arm sind und niemals einen Touristen zu sehen bekommen und Viertel, die keinen Tag ohne Touristen kennen. Durch die vielen Hügel erstaunt einen immer wieder eine tolle Aussicht über die Stadt und das Wasser ist durch den Bosporus und das Goldenen Horn allgegenwärtig. Eine Fährenfahrt zur Asiatischen Seite ist nicht nur Mittel zum Zweck, sondern jedes Mal ein schönes Erlebnis.

 

Da ich nur 25 Stunden in der Woche arbeiten musste, blieb mir viel Zeit die Stadt zu erkunden. Einen großen Teil der Zeit habe ich aber auch dafür genutzt, mir Ausstellungen anzusehen und damit die türkische zeitgenössische Kunst nahe und vor Ort kennenzulernen. Ich habe meine Freizeit außerdem für soziales Engagement genutzt. Ich habe viele Organisationen angeschrieben, die Flüchtlingen hilft, jedoch war es gar nicht so einfach seine Hilfe einsetzen zu können. Entweder fehlte es mir an der türkischen Sprache, um z.B. bei Behördengängen oder beim Erlernen der türkischen Sprache Beistand zu leisten, oder ich hätte in Vollzeit arbeiten müssen.

 

Viele Türken haben mich gefragt, warum ich es mir ausgesucht habe, in die Türkei zu kommen. Und die Frage wurde meist sehr ratlos gestellt, denn viele Türken wollen nach Deutschland - in das Land, aus dem ich komme. Aber meist kann man ja gerade das nicht schätzen, was man hat. In diesem Fall die Stadt Istanbul, die nicht nur wunderschön ist, sondern auch sehr herzliche Menschen als Bewohner hat. Die heikle politische Lage ist aber auch ein sehr guter Grund, um unzufrieden zu sein in der Türkei zu leben, wo z.B. Zensur und bürgerkriegsähnliche Zustände vorherrschen. Dies hat mich sehr viel zum Nachdenken gebracht.

 

Die Stadt selbst ist wunderbar zum Leben und mein Gefühl, dass Istanbul eine tolle Stadt ist, hat sich bestätigt. Auch in meiner beruflichen Ausrichtung hat mich das Praktikum bestärkt. Ich möchte weiterhin in dem Feld Galerie zu arbeiten. Die vielen herzlichen Begegnungen, die hilfsbereiten und kontaktfreudigen Menschen, die neu entstandene Freundschaften, das tolle Arbeitsklima und die Stadt der vielen Möglichkeiten haben das ERASMUS + Praktikum zu einer Erfahrung gemacht, die ich nicht verpasst haben möchte.

 

Anmerkung des International Office: auch Graduierte können über Erasmus+ Praktikum gefördert werden. Der Antrag auf Förderung eines EU-Praktikums, das im Laufe eines Jahres nach der Graduierung absolviert werden kann, ist im letzten Studiensemester - vor Exmatrikulation (!!) - zu stellen.