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kwk-Modellkommune
Das Team im SWK-Energiezentrum der Hochschule Niederrhein, das das KWK-Forschungsprojekt vorantreibt (von links): Christian Kaatz, Carlotte Newiadomsky, Prof. Dr. Frank Alsmeyer und Janine Bruchmann.

Energiewende vor Ort: Krefeld baut Mini-Blockheizkraftwerke der Zukunft

Krefeld, 12. November. Mit dem Projektaufruf „KWK-Modellkommune“ wurden Ende 2012 die Kommunen in NRW durch das Landesumweltministerium aufgefordert, innovative Vorschläge für Forschungsprojekte zur Weiterentwicklung der Nutzung der Kraft- Wärme-Kopplung (KWK) einzureichen. Auch Krefeld bewarb sich in einem Konsortium aus Stadt, SWK und Hochschule Niederrhein. Am Ende konnte man sich mit fünf weiteren Kommunen gegen mehr als 50 Bewerber durchsetzen und erhielt jetzt als erste Kommune den Zuwendungsbescheid in Höhe von rund 2,5 Mio. Euro aus dem Fördergeld-Topf.

 

Ziel des Wettbewerbes ist es, die KWK in NRW weiter zu fördern. Unter KWK versteht man die gleichzeitige Umwandlung von Brennstoff in elektrische und thermische Energie – also Strom und Wärme – in einer ortsfesten Anlage. In Krefeld sollen hierfür Mini-Blockheizkraftwerke (BHKW) genutzt werden. Solche BHKW arbeiten nach dem Prinzip der KWK, indem sie aus einem Primärenergieträger wie Erdgas gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen.

 

Von Großkraftwerken zu mehr dezentraler Energieerzeugung

 

„Die so oft zitierte Energiewende muss lokal vor Ort beherrscht werden. Fossile Großkraftwerke sind in unseren Augen auf Druck der Bundespolitik nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Das bedeutet für uns als Stadtwerk, wir müssen umdenken; die Energiewende stellt uns vor große Herausforderungen“, sagt Carsten Liedtke, Sprecher des SWK-Vorstands. Die Stromerzeugung erfolgt immer mehr dezentral und aufgrund regenerativer Energien immer weniger planbar. „Mit dezentraler KWK nutzt man die eingesetzte Energie doppelt: Es wird Strom genau dort produziert, wo der Kunde ihn benötigt – und die dabei entstehende Wärme bringt gleichzeitig das Haus auf die richtige Temperatur. Das ist hoch-effizient“, ergänzt Kerstin Abraham, Mitglied des SWK-Vorstands.

 

Bei der Stadt Krefeld begrüßt man die Umsetzung des KWK-Forschungsprojektes. „Mit der jüngsten Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes hat die Politik den klaren Fokus auf die Stärkung von KWK in der öffentlichen Versorgung gelegt. Daher freuen wir uns als Stadt Krefeld sehr, dass wir als eine der wenigen Kommunen mit diesem innovativen Konzept ausgewählt worden sind“, erklärt Umweltdezernent Thomas Visser. KWK hilft bei der Einsparung von CO2 und sorgt so für mehr Klimaschutz. „An diesem Projekt zeigt sich, wie wichtig und stark eine enge Zusammenarbeit zwischen SWK und Hochschule Niederrhein sein kann. Das ist gut für die Stadt und stärkt unseren Wirtschaftsstandort“, so Thomas Visser weiter.

 

Die Mini-BHKW haben eine Leistung von ca. 5 bis 50 Kilowatt. Für ihren Einsatz kommen Mehrfamilienhäuser ab ca. 15 Parteien in Frage. „Der Einsatz solcher Mini-BHKW an sich ist nichts Neues. Was unser Projekt auszeichnet ist eine so genannte wirtschaftlich orientierte Betriebsführung des Mini-BHKW“, sagt Andreas Benz, Leiter Energiemanagement bei der SWK. Die Mini-BHKW werden hierzu gemeinsam über ein virtuelles Kraftwerk gesteuert, um die optimale Fahrweise zu gewährleisten. Das Betriebsverhalten des Systems wird täglich für den Folgetag berechnet und den Anlagenkomponenten vorgegeben. „Wir berücksichtigen hierbei die Strom-Marktpreise und den individuellen Energiebedarf zur Steuerung und Regelung. Dabei hat die Versorgungssicherheit natürlich grundsätzlich Vorrang“, betont Sebastian Rubin, der das Projekt seitens der SWK leitet und mit entwickelt.

 

Aufgabe des SWK-Energiezentrums E² der Hochschule Niederrhein war es, zunächst das KWK-Ausbaupotenzial der einzelnen Quartiere in Krefeld zu analysieren. „Nach Analyse der Bausubstanz, der Strombedarfe und Wohnstrukturen können wir einzelne Stadteile identifizieren, bei deren energetischer Stadtentwicklung besondere Aufmerksamkeit auf den KWK-Ausbau gerichtet werden sollte“, sagt Dipl.-Ing. Janine Bruchmann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Niederrhein. „Krefeld ist in vielen Gebieten mit Fernwärme versorgt – in den eher dünner besiedelten Randgebieten aber eben nicht.“

 

Zwei Pilotanlagen zum Start

 

Das zur wirtschaftlich orientierten Betriebsführung erforderliche intelligente Wärme-Managementsystem muss jetzt noch entwickelt werden. Hierzu wird die SWK mit Ihrem Projektteam eigene Entwicklungen vornehmen und notwendige Spezialanfertigungen unter verschiedenen Herstellern ausschreiben. „Ziel ist es, im Frühsommer 2016 in zwei Pilotanlagen die ersten Mini-BHKW mit einer solchen Steuerung einzubauen und über das virtuelle Kraftwerk zu regeln“, sagt Andreas Benz. Der Einbau der Anlagen soll vor Beginn der nächsten Heizperiode im Herbst 2016 abgeschlossen sein, damit die beiden Objekte dann auch versorgt werden können. Ausgesucht als Pilotanlagen wurden das Schwimmbad am Stadtpark Fischeln sowie ein Mehrfamilienhaus mit mehr als 50 Parteien an der Kölner Straße. Im Jahr 2017 folgen ca. acht weitere Gebäude, in die die neue Mini-BHKW-Technologie eingebaut wird. Insgesamt beträgt die elektrische Leistung der Anlagen am Ende 210 Kilowatt. „Idealerweise decken wir eine große Spannbreite aus öffentlichen Liegenschaften, Kleingewerbe und großen Wohngebäuden ab, um die hierbei gemessenen Daten und Ergebnisse auch validieren und die Technik optimieren zu können“, erklärt Sebastian Rubin.

 

Die Vorteile gegenüber einer herkömmlichen Mini-BHKW-Anlage, wie es sie heute schon gibt, liegen auf der Hand: „Wir können die Mini-BHKW wirtschaftlicher betreiben, weil wir als SWK direkt am Energiemarkt agieren und handeln können. Es ist uns als SWK möglich, den jeweiligen Wärmebedarf und künftigen Preis mit unseren Analyse-Tools zu prognostizieren. Weiterhin können wir permanent die Regeltechnik nachsteuern mit Hilfe des intelligenten Wärme-Managementsystems. Das sind alles Dinge, die der Privatmann nicht machen kann, der ein Mini-BHKW bei sich im Keller stehen hat, das einmal fest installiert wurde, ohne flexibel auf die sich ändernden Gegebenheiten reagieren zu können“, stellt Andreas Benz die Vorzüge des Krefelder Modells heraus.

 

Die Wissenschaftler der Hochschule Niederrhein haben dazu die Wirtschaftlichkeit des Krefelder Modells mit verschiedenen alternativen Möglichkeiten zur Deckung des Wärmebedarfs verglichen. „Die Betrachtungen für Mieter und Vermieter sind bereits abgeschlossen und zeigen, dass das Krefelder Konzept die wirtschaftlichste Form der Wärmeversorgung unter Berücksichtigung beider Interessensgruppen ist. Dieses Ergebnis lässt sich aber nicht einfach auf Eigentümergesellschaften übertragen, daher werden wir uns auch weiterhin mit der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für die unterschiedlichen Typen von Endkunden beschäftigen“, erklärt Herr Prof. Dr.-Ing Alsmeyer, Leiter des Projektes an der Hochschule Niederrhein.

 

Einbindung weiterer Technologien und Entlastung lokaler Stromnetze

 

Ergänzend zum Potential der KWK soll erforscht werden, ob Dezentralisierung auch bei anderen Technologien im virtuellen Kraftwerk sinnvoller ist als der eigenverantwortliche Ausbau und Betrieb durch Verbraucher selbst. Mit diesem Leitgedanken erforscht die SWK mittels mathematischer Modelle und Simulationen die Übertragbarkeit des Konzeptes auf weitere Energieerzeuger, -verbraucher und -speicher wie z.B. Wärmepumpen, Batterien oder Photovoltaikanlagen, die prinzipiell auch in das virtuelle Kraftwerk eingebunden werden können.

 

Daran anknüpfend erweitert die Hochschule Niederrhein die Quartiersanalyse, um die Gebietsstrukturen zu identifizieren, in denen Technologien der Erneuerbaren Energien in Kombination zum KWK-Ausbau sinnvoll eingesetzt werden können.

 

Als Bestandteil des Projektes richtet die Hochschule Niederrhein ihr Auge auch auf weitere Kommunen in NRW: „Wir werden schauen, wo wir weitere Potentiale für dezentrale Mini-BHKW sehen. Zunächst untersuchen wir die Strukturen verschiedener Kommunen mit unterschiedlichen Randbedingen, so analysieren wir z.B. Kommunen unterschiedlicher Größen, von Großstädten wie z.B. Köln bis hin zum ländlichen Raum“, sagt Janine Bruchmann. „Nur durch Projekte wie dieses kann es NRW als Energieverbraucher Nummer 1 in Deutschland schaffen, seine Klimaziele zu erreichen.“

 

Pressekontakt: Dr. Christian Sonntag, Referat Hochschulkommunikation der Hochschule Niederrhein, Tel.: 02151 822-3610, E-Mail: christian.sonntag(at)hs-niederrhein.de

 

Autor: HN/SWK